Das Sonnenloch Mürtschenfenster im Kanton Glarus
Im Kanton Glarus gibt es neben dem berühmten Martinsloch noch ein weiteres Felsenloch, durch welches sich am Mürtschenstock
auf ca. 2020 Meter Seehöhe befindet.
Zum Mürtschenloch hat Herr Emil Zopfi eine wunderbare Geschichte verfasst:
Das Geheimnis des Mürtschenlochs:
Die Götter landeten
mit fünf Raumschiffen auf dem Kerenzerberg am Südufer des Walensees. Denn am Fuss des Mürtschenstocks lagern Erze, im 19. Jahrhundert wurde Kupfer und Silber abgebaut, von Gold berichten Sagen. Und vor
vierzig Jahren entdeckte ein Geologe in der Gegend die grössten Uranvorkommen der Schweiz. Grund genug also für die Götter, die nach Meinung Erich von Dänikens Astronauten waren, hier zu landen und ihre
Raumschiffe in Silos zu verstecken. In der Sage ist zwar von Drachen die Rede, die sich auf Alp Laubegg
in Löcher verkrochen hätten, doch der aufgeklärte Mensch weiss, was gemeint ist, wenn es heisst, aus einem Loch sei einmal ein Drache gesprungen und mit solcher Geschwindigkeit gegen den Mürtschen geflogen, dass er den Berg durchbohrt habe. Ein
Fehlstart der Götter also schlug das Mürtschenloch oder Stockloch in einen Felsgrat hoch oben am Mürtschenstock.
Vom Tal aus ist es deutlich zu sehen.
Es war ein klarer Morgen im September, als 23 Leute aus Obstalden aufbrachen, um unter Führung des Dorfschreiners das Geheimnis vor Ort zu klären. Der Pfarrer war dabei, der Gemeindeschreiber, Lehrerinnen und Lehrer, Schul- und Fürsorgerätinnen und vielleicht noch weitere Räte, sowie Kinder ab vier Jahren und ein zugewanderter Schriftsteller. Lang und steinig war der Weg, in einer steilen Runse nahm man die Jüngsten ans Seil, doch auf 2020 Metern über Meer öffnete sich plötzlich die Bergwand, der Blick fiel durchs Loch hinab auf den See und das Dorf mit der denkmalgeschützen Kirche. Das Mürtschenloch erschien aus der Nähe betrachtet kleiner als erwartet, 11 Meter hoch, 15 Meter breit, gegen Norden abfallend, so dass die Theorie einer durchschlagenden Rakete nicht von der Hand zu weisen war. Kurz darauf stiess die Wandergruppe auf Eisenfässer mit der Aufschrift "feuergefährlich". Sie stammten jedoch nicht von den Ausserplanetarischen, wie der ortskundige Dorfschreiner wusste, sondern von bengalischen Feuern, die jedes Jahr zum ersten August auf der Stocklochwand entzündet werden. Da weitere Spuren fehlten, setzte man sich, betrachtete die Aussicht, ass, trank, und machte sich dann wieder an den Abstieg. Die Gefühle der Obstalder zu ihrem Loch fasste am treffendsten Rahel, des Gemeindeschreibers Töchterlein, in Worte: "Wenn man jetzt die Erde etwas drehen könnte, würde die Sonne gerade durchs Loch in unser Dorf scheinen." Denn im Winter verirrt sich kaum noch ein Sonnenstrahl auf den Schattenhang, und wenn man hinüberschaut nach Amden, wo der Schnee funkelt, dann seufzt man gern: "Oh, könnte man die Welt doch drehen."
Die Sonne, die durchs Felsloch scheint, ist für die Bergbewohner ein magisches Ereignis, das im Herbst das grosse Dunkel kündet, im Frühling jedoch das Erwachen aus Winterschlaf und
Depression. Habt Dank ihr Götter oder Drachen für euer Werk!
Heute zieht das Ereignis vor allem Hobbyfotografen an. Es ist zu beobachten in Obstalden auf dem Stocken-Bödeli am 18. - 21.
November und am 21. - 24. Januar ab 13.40 Uhr. "Das Fotografieren ist fast eine Sucht", meint Landrätin Annemai Kamm aus Filzbach, die für den Kurverein Kerenzerberg ein Blatt mit
den genauen Daten verfasst hat. In Mühlehorn soll die Sonne am 8./9. November und am 2./3. Februar ab 14 Uhr sogar die goldene Kugel des Kirchturms aufleuchten lassen. Nebst der Sonne schaut
gelegentlich auch der Mond durchs Loch, was Leute wie Hans Stopper, Sekundarlehrer aus Uster, zu astronomischen Beobachtungen anregt. Zu diesem Zweck hat er das Stockloch am Mürtschen genau vermessen.
Nach seinen Berechnungen zeigt sich eine zunehmende Mondsichel das nächste Mal am 10. Dezember um 17.42 Uhr, am besten zu beobachten von der Seeseite des Bahnhofs Mühlehorn. Allerdings sei es schwierig,
das Ereignis exakt zu berechnen, sagt Hans Stopper, denn die Bahn des Mondes macht Sprünge, sie verschiebt sich nicht kontinuierlich wie die der Sonne. Er berechnet auch die Daten für das Martinsloch in
Elm und interessiert sich für die Felslöcher am Eiger und am Piz Ela bei Bergün.
Schatten fielen über den Talalpsee,
als sich die Stocklochwanderer zu Bier, Glarner "Beggeli" und Kaffee niedersetzten. Ein Alphorn klang schön und falsch, die Blasen an den Fersen surrten. Abendsonne lag auf der Spitze des Mürtschenstocks. Ein paar Strahlen fielen durchs Loch, zeichneten seine Umrisse auf eine graue Wand, ein winziger heller Punkt hoch oben am Berg. Sein Geheimnis hatte es nicht preisgegeben.
Autor:
Emil Zopfi
Quellen: Wir danken recht herzlich Herrn Emil Zopfi für die Erlaubnis der Veröffentlichung seiner wunderbaren Geschichte! Copyright by Emil Zopfi -
zu finden unter http://www.zopfi.ch
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